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Herausforderung
Unkontrollierte und häufige Änderungen im Projektumfang (Scope Creep) können Projektziele gefährden, führen oft zu Budgetüberschreitungen und gefährden den Projektzeitplan.
Ziel des Posts
Der Post zeigt auf, was Scope Creep in Projekten ist, wo seine Ursachen liegen, und wie man ihn verhindern kann.
Kerninhalte
Definition von Scope und Scope Creep
Auswirkungen von Scope Creep auf Projekte
Typische Ursachen
Strategien zur Vermeidung von Scope Creep
Nutzen
Sie erkennen Scope Creep in Projekten und wissen, wie Sie ihn verhindern können.
Sie schützen Ihr Projekt vor den negativen Auswirkungen von Scope Creep.
Sie sehen, wie strukturiertes Projektmanagement und klare Kommunikation Schaden von Ihrem Projekt abhalten.
Kennen Sie das? Sie arbeiten in einem Projekt und immer wieder kommt es zu Änderungen des Projektumfangs. Aber der Zeitplan muss eingehalten werden, mehr Teammitglieder stehen nicht zur Verfügung und zusätzliches Geld gibt es auch nicht.
Scope Creep! Ein häufiges und oft unterschätztes Phänomen im Projektmanagement.
Ein typisches Beispiel:
Ein Projektteam soll eine Produktionsanlage für technische Produkte bauen.
Zunächst scheinen die Anforderungen klar zu sein: Es soll eine Anlage gebaut werden, auf der 10 verschiedene Produkttypen hergestellt werden können, und zwar innerhalb eines festen Zeitrahmens und mit einem festen Budget.
Doch schon bald tauchen zusätzliche Anforderungen auf: Der Transport der Produkte ins Lager muss natürlich gewährleistet sein. Außerdem muss die Energieeffizienz deutlich verbessert werden, sonst ist der Kohlendioxid-Ausstoß zu hoch.
Beide Anforderungen sind für sich genommen sinnvoll und erscheinen durchaus realisierbar. Sie führen aber zu erheblichen Mehrkosten und zeitlichen Verzögerungen. Leider interessiert das den Auftraggeber nicht wirklich.
Das Projektteam, das ursprünglich einen klar definierten Auftrag hatte, steht plötzlich vor neuen Herausforderungen. Das geplante Budget und der Zeitplan sind nicht mehr realistisch.
Das Projekt gerät aus den Fugen. Das Projektteam und die Projektleitung sind frustriert und überlastet. Die Qualität der Arbeit leidet und - wenig überraschend - die Stimmung im Team verschlechtert sich rapide.
Was sind Scope und Scope Creep?
Scope
Unter Scope versteht man im Projektmanagement den Projektumfang. Dieser umfasst alle Ziele, Aufgaben, Termine und Ergebnisse, die im Rahmen eines Projektes erreicht werden sollen. Der Scope definiert somit die Grenzen des Projekts und legt fest, was im Projekt enthalten ist und was nicht.
Der Scope eines Projektes definiert also den Projektumfang, d.h. was im Rahmen des Projektes geleistet werden soll. Er liefert z.B. Antworten auf die Fragen
Was soll mit dem Projekt erreicht werden?
Welche Arbeitspakete werden durchgeführt?
Meist wird im Scope auch folgendes definiert:
eine detaillierte Beschreibung der zu erstellenden Lieferobjekte
die Terminmeilensteine
die zu erwartenden Kosten für die einzelnen Projektinhalte
Was in der Theorie logisch und klar klingt, trifft leider oft auf eine deutlich andere Projektrealität.
Scope Creep
Unter Scope Creep versteht man im Projektmanagement die schleichende Ausdehnung des ursprünglich definierten Projektumfangs durch zusätzliche Anforderungen oder Änderungen, ohne dass dies ausreichend geplant oder kontrolliert wird.
Wie das Wort „creep“ (kriechen) schon andeutet, schleichen sich Änderungen gerne in Projekte ein. Oft unbemerkt.
Die kleinen Änderungen, mit denen Scope Creep oft beginnt, können aber schnell zu größeren Aufwänden führen. Und die werden dann gefährlich für das Projekt, wenn es keine zusätzlichen Ressourcen (Geld, Zeit, ...) gibt, um den Mehraufwand zu bewältigen.
Besonders gefährlich ist Scope Creep bei Festpreisprojekten oder wenn Termine strikt eingehalten werden müssen. Weihnachtsgeschenke zu Ostern sind einfach zu spät.
Was ist kein Scope Creep in projekten?
Natürlich ist nicht jede Änderung in einem Projekt ist als Scope Creep zu werten. Scope Creep tritt ja erst dann auf, wenn Änderungen am Projekt nicht ausreichend geklärt und vor allem abgestimmt sind. Hier einige Beispiele, bei denen es sich nicht um Scope Creep handelt:
Frühe Planungsphasen: In dieser Phase sind Änderungen normal, da der Projektumfang oft noch nicht endgültig definiert ist.
Abgesprochene Änderungen zwischen Auftraggeber und Projektleitung: Die nachträgliche Erweiterung des Projektumfangs lässt sich natürlich nicht immer vermeiden. Der Projektplan muss dann überarbeitet und Mehrkosten oder eine Veränderung der Projektdauer müssen genehmigt werden.
Keine Zusatzaufwände: Änderungen, die keine zusätzlichen Kosten oder Aufwände verursachen, sind nicht problematisch. Achten Sie aber hier auf die Details. Vermeintliche Kleinigkeiten ziehen oftmals einen langen „Rattenschwanz“ hinter sich her.
Durchführbarkeit des Projektes ist unklar: Forschungs- und Entwicklungsprojekten sind immer mit viel Unsicherheit verbunden. Grundlegende Änderungen können also zwingend notwendig sein. Wenn alle Beteiligten den Änderungen zustimmen, gilt: Kein Scope Creep!
Wer verursacht Scope Creep in projekten?
Scope Creep kann durch verschiedene Akteure verursacht werden. Hier einige typische Beispiele:
Projektleitung: setzt keine klaren Grenzen und lässt Änderungen, ohne Anpassung des Projektplans zu
Interne Stakeholder: das Management will regelmäßig zusätzliche Anforderungen in das Projekt einbringen
Externe Stakeholder: Behörden und Vertragspartner bringen zusätzlichen Anforderungen ein
Projektteam: will neue Anforderungen umsetzen, um Kunden zufrieden zu stellen.
Kunden: äußern regelmäßig und beharrlich Wünsche, die ursprünglich nicht vorgesehen waren
Endanwender: wurden erst spät ins Projekt eingebunden und haben (natürlich) zusätzliche Anforderungen
Was sind typische Auswirkungen von Scope Creep in projekten?
Scope Creep kann verschiedene negative Auswirkungen haben. Hier einige typische:
Terminüberschreitungen: Mehr Anforderungen führen zu längeren Bearbeitungszeiten.
Budgetüberschreitungen: Zusätzliche Arbeiten kosten mehr Geld.
Qualitätsverluste: Unter Zeitdruck leidet oft die Qualität.
Erhöhter Kommunikationsaufwand: Jede Änderung verursacht Kommunikationsaufwand. Je mehr Projektbeteiligte, desto mehr Aufwand. Oft wird dieser Mehraufwand aber nicht angemessen eingeplant.
Überstunden: Mehr Arbeit erfordert mehr Zeit. Bei gleichbleibender Teamgröße führt das meist zu Überstunden.
Scheitern des Projekts: Im Extremfall kann das Projekt vor der Fertigstellung sogar komplett scheitern.
Nicht abgenommenes Projektergebnis: Besonders unangenehm: Weicht das Endergebnis eines Projekts von dem ursprünglich erwarteten ab, kann es vorkommen, dass der Kunde das Projektergebnis nicht abnimmt.
Typische Ursachen für Scope Creep und Tipps zur Gegenwehr
1. Die Projektleitung lässt Scope Creep zu
Einen extrem großen Einfluss auf möglichen Scope Creep hat die Projektleitung. Das wird deutlich, wenn man sich die allgemeine Definition der Aufgaben eines Projektleiters ansieht:
Ein Projektleiter ist verantwortlich für die Planung, Durchführung, Überwachung und den Abschluss eines Projekts, einschließlich der Koordination des Teams und der Kommunikation mit den Stakeholdern.
Bei berechtigten Änderungswünschen muss die Projektleitung die Auswirkungen der Änderung auf das Projekt prüfen und dann das offizielle OK zur Änderung des Projektauftrages einholen.
Ansonsten gilt: „Nein“ zu Änderungswünschen sagen können. Im Interesse des Projektes. Das geht nicht immer reibungsfrei vonstatten, muss aber von einer guten Projektleitung ausgehalten werden.
Tipp: Das Wichtigste ist sicherlich, dass die Projektleitung inhaltlich gut qualifiziert ist. Als Projektmanagement-Experte wird man von seinem Gegenüber in der Regel ernst genommen. Sollte es dennoch zu Konflikten kommen, ist es wichtig, diese möglichst konstruktiv auszutragen.
Bedarf an mehr Informationen? Dann werfen Sie einen Blick auf unsere Artikel zu den Themen effektive Projektmanagement Schulungen und Konflikte in Projekten.
2. Der Projektauftrag ist unklar
Wenn der Projektauftrag nicht klar definiert ist, sind Scope Creep Tür und Tor geöffnet. Je klarer und detaillierter der Projektauftrag, desto besser.
Tipp: Sorgen Sie für einen klaren Projektauftrag, der alle wesentlichen Aspekte des Projekts abdeckt. Dazu gehören Ziele, Leistungsumfang, Erfolgskriterien und mögliche Einschränkungen. Zur Auftragsklärung gehört auch eine ausführliche Diskussion mit allen relevanten Stakeholdern. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis der Projektziele und -anforderungen zu erreichen.
Bedarf an mehr Informationen?
Hier zwei Hilfsmittel für einen guten Start in Ihr Projekt. Project Canvas und Projektcharta.
Weitere Informationen zu Projektmanagement Modellen und Projektmanagement Methoden finden Sie hier.
3. Der Projektumfang ist nicht offiziell genehmigt
Dieser Punkt steht in engem Zusammenhang mit dem Punkt darüber.
Fehlt die Zustimmung des Auftraggebers zum Projektumfang ist es wie beim Moving-Target-Schießen. Ohne festen Projektumfang ist nicht klar, ob das Projektergebnis wirklich den Anforderungen des Auftraggebers entspricht. Im schlimmsten Fall akzeptiert der Auftraggeber das Projektergebnis nicht.
Ein offiziell genehmigter Projektumfang sowie ein detaillierter Anforderungskatalog (ggf. mit Pflichten- und Lastenheft) sind die Basis zur Vermeidung von Scope Creep. Natürlich muss der Detaillierungsgrad nicht übertrieben werden. Aber sehr oft wird der Projektumfang viel zu vage gehalten. Hier kann mit wenig Aufwand viel gegen Scope Creep getan werden.
Tipp: Klären Sie genau, was zum Projektumfang gehört. Es muss schriftlich festgehalten werden, was „in scope“ ist. Wenn es der Klarheit dient, halten Sie auch fest, was „out of scope“ ist. Und dann holen Sie die Zustimmung des Auftraggebers ein.
4. Wichtige Stakeholder werden nicht ausreichend eingebunden
Projekte sind oft komplex. Gerade deshalb ist es wichtig, zentrale Stakeholder frühzeitig und regelmäßig in das Projekt einzubinden. Seien es Auftraggeber, Endnutzer oder Kunden. Nach dem Projektstart im stillen Kämmerlein zu arbeiten, ist keine gute Idee. Änderungswünsche wird es immer geben. Oft sind sie auch berechtigt, denn ein Projekt ist immer einzigartig.
Tipps:
Stimmen Sie sich regelmäßig eng mit dem Auftraggeber ab. Das ist ein normaler Teil Ihrer Arbeit, und Sie erfahren frühzeitig von Änderungswünschen am Projektscope.
Richten Sie einen Lenkungsausschuss für Ihr Projekt ein. Darin sollten der Auftraggeber und die für das Projekt zentralen Stakeholder vertreten sein. Im Lenkungskreis wird regelmäßig der Status quo besprochen und Änderungswünsche kommen auf den Tisch. Sammeln Sie die Änderungswünsche vor der Sitzung und zeigen Sie die Konsequenzen auf (Vorteile, mögliche Nachteile, Kosten, Zeitaufwand, ...).
Betreiben Sie intensives Stakeholdermanagement. Damit überlassen Sie die Kommunikation mit den wichtigen Stakeholdern nicht dem Zufall, sondern steuern sie. Das ist Ihre Aufgabe im Projektmanagement.
Bedarf an mehr Informationen?
Dann schauen Sie doch in unseren Post zum Thema Stakeholder Management.
5. Es Gibt kein formalisiertes Änderungsmanagement
Im Projekt gibt es Änderungswünsche. Wer kontaktiert nun wen und wie? Und wie wird entschieden, ob die Änderung in das Projekt aufgenommen wird oder nicht? Wenn es hier keine klaren Prozesse gibt, heißen Sie Scope Creep förmlich willkommen.
Tipps:
Neue Anforderungen sollten klar definiert und dokumentiert werden
Etablieren Sie einen formalen Prozess für den Umgang mit Änderungen. Dies stellt sicher, dass alle Änderungswünsche gründlich geprüft und ihre Auswirkungen auf das Projekt bewertet werden, bevor sie genehmigt werden. Viele Änderungswünsche, die für das Projekt nicht wirklich notwendig sind, können so vermieden werden.
Legen Sie klar fest, wer Änderungen freigeben darf. Sorgen Sie dann als Projektleitung dafür, dass sich alle daran halten. Das ist nicht immer einfach, aber im Sinne des Risikomanagements zwingend notwendig.
6. Kommunikation läuft an der Projektleitung vorbei
Die direkte Kommunikation zwischen Auftraggeber und Teammitgliedern kann sehr wichtig sein. Zum Beispiel, wenn es in einem Projekt um technische Detailfragen geht, die geklärt werden müssen.
Wenn sich der Kunde in einem Projekt aber direkt mit einzelnen Teammitgliedern abstimmen kann, ist Chaos vorprogrammiert. Oft handeln Teammitglieder nach Kundenwunsch, ohne die Auswirkungen auf das Gesamtprojekt im Auge zu behalten. Scope Creep vom Feinsten!
Tipps:
Sorgen Sie als Projektleitung für klare Kommunikationswege. Und vermitteln Sie dem Projektteam die Wichtigkeit, die dahinter steckt. Für jedes Teammitglied muss klar sein, wie mit Kundenwünschen umzugehen ist.
Stellen Sie sicher, dass das eingeführte formalisierte Änderungsmanagement auch gelebt wird. Auch wenn es manchmal lästig erscheint.
Fazit
Scope Creep ist ein häufiges Problem im Projektmanagement, das durch unkontrollierte Änderungen am Projektumfang entsteht. Die Folgen sind häufig erhöhte Kosten, ein nicht eingehaltener Terminplan und unzufriedene Stakeholder.
Ihre besten Verbündeten gegen Scope Creep sind:
Ein klarer Projektauftrag und ein klar definierter Projektumfang
Intensive Kommunikation mit den zentralen Stakeholdern
Ein formalisiertes Änderungsmanagement, das u.a. die Auswirkungen von Änderungen am Projektumfang qualitativ und quantitativ aufzeigt
Und klare Kommunikationswege zwischen dem Projektteam und wichtigen Projektstakeholdern (vor allem dem Endkunden)
Viel Erfolg bei Ihren möglichst Scope Creep-freien Projekten.
Wenn Sie Unterstützung für Ihre Projekte brauchen, sprechen Sie uns gerne an!
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